Gussformen für Zinnfiguren entdeckt

Nahe dem Großen Jüdenhof, auf dem ehemaligen Grundstück der Jüdenstraße 49, befand sich seit 1815 eine Zinngießerwerkstatt für Flachfiguren. Diese wurde bis 1922 von der Familie Böhler betrieben. Während der aktuellen archäologischen Ausgrabung konnten über 70 Gussformfragmente aus Schiefergestein geborgen werden. In die plangeschliffenen, 2,30 cm starken Platten waren jeweils die Vorder- und Rückseite der zu gießenden Figur eingraviert sowie ein Gusskanal ausgearbeitet worden. Fügte man diese nun zusammen, konnte die entstehende Hohlform mit Zinn ausgegossen werden. Die Größe der einzelnen Figuren variiert zwischen einem und zehn Zentimetern. Gegossen wurden vor allem militärische Abbilder, aber auch Motive aus fremden und fernen Ländern, insbesondere aus den überseeischen deutschen Kolonien. Die Formen aus der Jüdenstraße zeigen ca. 100 Motive, darunter Infanteristen, Kavalleristen, Musiker, Kanonen, Lanzen, Feldzeichen, Wimpel, Standarten, Zäune, Tore aber auch Pferde, Wildkatzen und Dromedare. Auf einer Platte ist zudem die Jahreszahl 1878 eingeritzt worden. Zinnfiguren erfreuten sich besonders im 19. Jh. und bis zum Ersten Weltkrieg als Spielzeug großer Beliebtheit und konnten zur Veranschaulichung von historischen Ereignissen dienen. Sie sind heute wieder beliebte Sammelobjekte oder werden sogar selbst gegossen. Über die Geschichte der Zinnfiguren kann man sich ausführlich im Berliner Zinnfiguren-Kabinett informieren.

Eberhard Völker

Abb. 1: Afrikanischer Musikant (Höhe Figur: 7 cm).
Foto Landesdenkmalamt Berlin, Julia-Marlen Schiefelbein.
Abb. 2: Dromedar (Höhe Figur: 3 cm).
Foto Landesdenkmalamt Berlin, Julia-Marlen Schiefelbein.
Abb. 3: Im Kampfe fallender Infanterist (Höhe Figur: 2,5 cm).
Foto Landesdenkmalamt Berlin, Julia-Marlen Schiefelbein.
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