Zeitreise ins 15. Jahrhundert – außergewöhnlicher Fund auf der Grabung Molkenmarkt

Auf dem Großen Jüdenhof wurde im Rahmen der laufenden Grabung Molkenmarkt (Landesdenkmalamt Berlin) ein außergewöhnlicher Fund gemacht.

Ein Holzbauwerk aus der Zeit um 1400 war offenbar in kurzer Zeit verfüllt worden und barg eine Fülle von Material. Die Anzahl und die Vielfalt der geborgenen Funde sind für Berlin einzigartig.

Es kamen nicht nur große Mengen eines typischen Haushalts des 15. Jahrhunderts zum Vorschein, wie Gefäße, Werkzeuge, Ausstattungsgegenstände und Flachglas, das als Fensterglas im Wohngebäude eingesetzt war. Besonders interessant sind die Sonderfunde wie Knochenwürfel, Murmeln, ein Wiegenpüppchen und Metallgegenstände. Einzigartig gut erhalten sind Lederschuhe, -stiefel, Textilreste und kleinste Nahrungsreste, wie Kirsch-, Weintrauben- und Pflaumenkerne sowie Haselnüsse und Walnüsse.

Das Bauwerk, in dem sich diese Funde befanden, war an seiner Oberkante ca. 7×3m groß. Vermutlich handelt es sich um einen mit Holz verschalten Keller eines größeren Wohngebäudes.

Grabungstechnisch war das Bauwerk eine Herausforderung. Es ragte bis zu 4 m unter die heutige Geländeoberkante. Es wurden 48 Kubikmeter Füllung entnommen und durch Siebe mit Wasser geführt (geschlämmt), um kleinste Objekte bergen zu können. Das verbaute Holz war nicht gut erhalten, so dass das Bauwerk komplett abgetragen wurde. Lediglich Proben für die Dendrodatierung konnten entnommen werden.

Einzigartig ist die außergewöhnlich gute Erhaltung organischer Funde. Sie sind dem tonig-lehmigen Verfüllsediment im Inneren der Holzkonstruktion in Verbindung mit der Grundwassernähe zu verdanken. Dadurch konnten eine Vielzahl von Lederfragmenten, aber auch vollständige Schuhe und Stiefel, geborgen werden. Auch Textilreste sowie diverse Holzgegenstände sind bestens erhalten.

Besondere Highlights sind beispielsweise Kleinfunde mit Spielzeugcharakter wie ein Wiegenpüppchen, 26 Knochenwürfel und Murmeln aus Glas und Ton. Hinzu kommen große Fundmengen von Keramik, Metallgegenständen, Tierknochen und Trinkgläsern. Erwähnenswert sind darüber hinaus außerordentlich große Mengen an Fensterglas (ca. 220 Kg), die bisher in dieser Menge noch nicht aufgefunden worden sind.

Bei der Vorstellung der Funde am 1. November 2022 sagte der Senator für Kultur und Europa, Dr. Klaus Lederer: „Ein archäologischer Fundkomplex ist in dieser Reichhaltigkeit und Vielfalt in einer durch die Bautätigkeit geprägten Stadt wie Berlin äußert selten. Die Funde vertiefen – und bereichern vor allem – unser Wissen über die Alltagskultur der Berlinerinnen und Berliner im 15. Jahrhundert.
Das Ergebnis verdanken wir der akribischen Arbeit der Grabungsteams unter der Leitung von Eberhard Völker, die noch weitere spannende Befunde und Funde in der derzeit größten innerstädtischen Flächengrabung in Deutschland erwarten lässt.“

Die Funde werden nun von Expertinnen und Experten verschiedener Disziplinen näher untersucht. Die Metall-, Glas- und Keramikfunde werden restauriert und dann im Magazin des Landesdenkmalamts aufbewahrt.

Details zur Holzkonstruktion

Diese war an ihrer Basis 6,75m lang und 3,34m breit. Die Wände waren aus waagerecht angeordneten Kiefernholzbrettern errichtet, die in regelmäßigen Abständen innen durch Eichen-Pfosten gestützt wurden. Knapp über der Sohle, die sich direkt in Höhe des heutigen Grundwasserspiegels befand, waren als Substruktion zunächst ein längsverlaufender Balken und darüber fünf querverlaufende Eichenbalken eingebracht. Ein Holzfußboden ließ sich nicht mehr nachweisen. Die Holzwände waren bis in eine Höhe von 2,10m erhalten. Um die Holzkonstruktion befand sich noch eine etwa 2m breite Baugrube, sodass der Gesamtbefund etwa 8,80 × 7,00 m groß war. Dieser Bereich wurde im 18. Jahrhundert mit Häusern überbaut, daher wurden direkt auf dem beschriebenen Holzkasten unterschiedliche Hausfußböden aufgefunden, die den oberen Teil des Befundes zerstört haben.

Wobei es sich bei der großen Holzkonstruktion handelt, ist momentan noch nicht eindeutig geklärt. Die Konstruktion deutet auf einen Holzkeller oder eine Latrine. Aus dem Berliner Raum gibt es bislang keine derartig großen und aufwendig gebauten Vergleichsbefunde. Momentan werden verschiedene Bodenproben untersucht, wodurch neue sowie klärende Erkenntnisse erwartet werden können.

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